Clio auf die Ohren: Pandemien und Epidemien in der Weltgeschichte

Clio auf die Ohren – mit diesem Namen steigen wir im Wintersemester 2020-21 in ein neues, für uns ungewohntes Format ein. Das Historische Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zeichnet Podcasts auf. Die Ausgangsbedingungen sind alles andere als hilfreich: Aktuell dürfen wir uns nicht nebeneinander vor ein Mikrophon setzen, wir müssen vielmehr verschiedene technische Tools einsetzen, um Ihnen Podcasts anzubieten, die wenigstens in die Nähe dessen kommen, was Sie von diesem Medium zu Recht erwarten.

Die Podcast-Reihe, die wir uns dafür vorgenommen haben, ist historischen Pandemien und Seuchen gewidmet. Das ist zugleich eine Trigger-Warnung: Wer von Ihnen im Laufe dieses Jahres traumatisierende Erfahrungen mit der Covid-19-Pandemie gemacht hat, der möchte sich die Reihe vielleicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht anhören; vielleicht aber auch gerade deshalb.

Seuchen, Epidemien, Pandemien haben wir uns nicht deshalb vorgenommen, weil wir etwa die Hoffnung teilen, dass wir aus historischen Epidemien Entscheidendes für unsere eigenen Lösungsstrategien im Umgang mit Corona lernen können. Eigentlich ist die Herausforderung eine andere. Seit März, April lesen, sehen und hören wir viel über historische Seuchen und Pandemien in popkulturellen Medien, in populärhistorischen Zeitschriften, in Fernseh- und Radiobeiträgen und eben in Podcasts. Facebook, TikTok, Instagram und Twitter liefern nicht wenige Analogieschlüsse, in denen gegenwärtige Handlungspflichten aus historischen Beispielen begründet werden. Ein Klassiker: Geschichte als Argument!

Dieser Herausforderung wollen wir uns stellen: Wir wollen schauen, wie weit wir in der Auseinandersetzung mit diesen historischen Phänomenen kommen, wenn wir das mit der geballten Expertise als Historikerinnen und Historiker tun. Dabei werden wir die konkreten Krankheiten als eine Art Probebohrung verstehen, mit der wir tiefer und zugleich auf ungewohnte Art und Weise in die behandelte Zeitschicht vordringen. Wie in einer archäologischen Sonde werden wir dabei auch Themen mit ans Tageslicht befördern, an die wir bei der ersten Beschäftigung nicht gedacht hätten. Wir wollen uns mit diesen Bohrungen die untersuchten historischen Zeiten und Räume auf neue Weise vertraut machen. Wie weit wir dabei kommen, werden wir sehen – sowohl inhaltlich als auch methodisch und vor allem technisch ist das Neuland für uns.

Machen Sie bei diesen historischen Sondierungen mit! Wir richten unseren Blick auf die Justinianische Pest des 6. Jahrhunderts nach Christus, von der manche Historiker*innen sagen, sie habe das Ende der Antike eingeläutet. Wir schauen auf frühneuzeitliche Pestwellen und die gesellschaftlichen Dynamiken, die sie auslösten – in Wien 1679, in Moskau knapp einhundert Jahre später. Wir werden am Beispiel des Osmanischen Reiches den Übergang vom frühneuzeitlichen Seuchengeschehen mit vormodernen Krankheitsbildern zum 19. Jahrhundert, also etwa zur Cholera, diskutieren. Den mit der modernen Medizin, der besseren Versorgung der Menschen verbundenen Übergang von einem vormodernen Sterblichkeitsmuster zur modernen Dominanz degenerativer Erkrankungen werden wir diskutieren. Auch der aktuelle Hype um die Russische Grippe der 1880er Jahre, von der es nun heißt, sie sei eventuell die erste Corona-Pandemie der Menschheitsgeschichte gewesen, werden wir uns anschauen. Im Sommer haben Studierende mehrere Podcasts zur Spanischen Grippe zum Ende des Ersten Weltkriegs aufgezeichnet, die ganz unterschiedliche Facetten dieses Themas in den Blick – bzw. ins Gehör – nehmen. Und mit einem Dreiergespräch über HIV, die AIDS-Pandemie, die bis in die Gegenwart anhält, kommen wir ganz nahe an unsere eigene Gegenwart heran.

Clio auf die Ohren – herunterladen, Kopfhörer aufziehen, zurücklehnen und historische Analysen einmal anders genießen. Seien Sie dabei – und bleiben Sie gesund.