Räume entstehen nicht nur durch natürliche Gegebenheiten wie Gebirge oder Flüsse, politische Grenzen oder Wirtschaftsverbindungen, sondern auch durch Lebens- und Karrierewege von Menschen, die an bestimmten Orten bevorzugt studieren oder aus karrieretaktischen Gründen bestimmte Standorte für ihre berufliche Tätigkeit bevorzugen. Diese Zusammenhänge für das Kurfürstentum Mainz im 17. und 18. Jahrhundert zu untersuchen und die Ergebnisse mit den Möglichkeiten digitaler Kartographie zu visualisieren, hat sich das Teilprojekt „Kurmainz“ des Forschungsprojekt DigiKAR zum Ziel gesetzt.
Bettina Braun, eine der Projektleiterinnen des Kurmainz-Projekts, hat im Sommersemester 2022 am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ein Projektseminar durchgeführt, in dem dieser Ansatz für die Mainzer Dompröbste von der zweiten Hälfte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts beispielhaft erprobt wurde. Dompröbste waren die höchsten Würdenträger des Domkapitels, und sie sind biographisch verhältnismäßig gut dokumentiert. Es handelt sich also um eine kleine und im Rahmen eines Seminars gut zu bearbeitende, für einen geistlichen Staat wie Kurmainz jedoch sehr wichtige Elitengruppe.
Die Studierenden führten im Seminar alle Schritte durch, die für ein solches Forschungsvorhaben notwendig sind: Sie wählten das zu untersuchende Sample aus, recherchierten in mühevoller Kleinarbeit die biographischen Daten, erfassten sie in einer Datenbank und bereiteten sie in mehreren Normalisierungsdurchgängen einheitlich auf. Immer wieder diskutierten sie, welche Fragestellungen für eine Visualisierung geeignet wären, arbeiteten sich in ein digitales Visualisierungstool ein und erstellten schließlich digitale Karten – alles in enger Zusammenarbeit mit den Expertinnen und Experten von DigiKAR, die bei Bedarf in Videokonferenzen zugeschaltet wurden. Am Ende standen Karten, die die Vernetzung der Dompröpste in verschiedenen Stiften inner- und außerhalb von Kurmainz zeigen.
Die Studierenden gewannen auf diese Weise einen tiefen Einblick in einen laufenden Forschungsprozess, und zwar nicht nur durch Beobachtung, sondern durch eigenes Forschen – mit allen Umwegen, Frustrationen und Erfolgserlebnissen, die damit verbunden sind. Sie leisteten damit auch einen Beitrag zur Forschung in einem größeren Projekt. Denn die im Seminar erarbeitete Datenbank wurde inzwischen in die große Projektdatenbank integriert und wird dort weiter genutzt werden.
➡️ Hier geht es zur Projektseite und den historischen Karten aus dem Projekt: https://ieg-dhr.github.io/DigiKAR_Projektseminar/.